Wir, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern waren am Mittwoch, 2. November 2016 ab 17.15 Uhr ganz exklusiv von Frau Busold, der Repräsentantin der Villa Grisebach für Norddeutschland eingeladen. Zu bestaunen gab es Kunstwerke in der Vorbesichtigung ausgewählter Werke der Herbstauktionen 2016 der Villa Grisebach Berlin. Frau Busold bezeichnet die Ausstellungspräsentation immer als ihr „kleines Museum auf Zeit“ und das ist es auch: Ein Ausstellungsraum mit hochkarätigen Kunstschätzen für einen Tag. Tollste Werke mit musealer Qualität gab es zu sehen: Gleich drei ganz unterschiedliche Arbeiten von Max Liebermann, ein beeindruckendes Selbstporträt „Selbstbildnis im Anzug mit Skizzenblock“, 1926, ein typisches Genrebild „Studie zum ,Restaurationsgarten in Leiden‘“, 1900 aber auch ein ganz untypisches Bild in naturalistischer Manier „Zimmermannswerkstatt – Die Familie des Holzhackers“, 1875, bekannte Blumenbilder von Nolde „Königskerzen“, 1915, „Leuchtende Sonnenblumen“, 1950, aber auch ganz unbekannte Seestücke. Eine frühe Arbeit „Landungsbrücke im Winter“, 1902 und eine spätere „Bewegte See II (Zwei Segler aneinander)“, 1914.
Bewundern vor Ort konnten wir auch ein Stillleben von Max Beckmann „Stilleben mit brennender Kerze“, 1921, das Bauhaus war vertreten mit Arbeiten von Klee und Feininger und Fotoarbeiten von Ludwig Mies van der Rohe. Als Zeitgenossen waren u.a. Arbeiten der Künstler Otto Piene und Neo Rauch vertreten.
Tollste Geschichten
Frau Busold fesselte unser Interesse wieder mit vielen besonderen Hintergrundgeschichten:
So auch zur frühen Arbeit von Nolde. Diese Arbeit war mit „Hansen Nolde“ signiert:
Hansen Nolde: „Landungsbrücke im Winter“, 1902, Öl auf Leinwand. 57 × 70 cm
Hier erfuhren wir, dass Nolde eigentlich Hansen hieß und sich erst später nach seinem Geburtsort umbenannte. Der Name „Hansen“ stand Pate für die Figur des Malers „Max Ludwig Nansen“, einer der Hauptfiguren des Romans „Die Deutschstunde“ von Siegfried Lenz. Im Roman von 1968 lässt der Schriftsteller den Maler Max Ludwig Nansen auftreten, dessen Bilder die Nazis beschlagnahmen und vernichten wollen. Als Handlanger in der Provinz tritt Polizist Jepsen an, der den alten Freund gewissenlos mit einem Malverbot belegt: „Ich tue bloß meine Pflicht.“ Um diesen Kernsatz gruppiert Lenz seine Figuren, den Pflichterfüller, das Opfer. Nansen, ist an Nolde entwickelt, der 1867 in dem Dorf Nolde als Hans Emil Hansen zur Welt kam.
Das von uns beschaute Gemälde „Landungsbrücke im Winter“. entstand in einer Zeit der Armut und Entbehrungen von Nolde und seiner Frau. Zu sehen ist ein mit Schnee und Eis bedeckter Steg, der einige Meter vom Strand ins tiefere Wasser hineinführt und als Anlegestelle genutzt wird. Das grünlich-blau gefärbte Meer geht fast nahtlos in einen gleichfarbigen bedeckten Himmel über. Ein tolles Gemälde schon fast ins Abstrakte gehend.
Das Motiv der Landungsbrücke taucht 1910 vermehrt in Noldes Arbeiten auf. Während seines knapp dreiwöchigen Aufenthalts in Hamburg von Februar bis März entstanden viele weitere Arbeiten, die wir in der Hamburger Kunsthalle in der Ausstellung „Nolde in Hamburg“ betrachten konnten.
Frau Busold erzählte uns anschließend eine weitere Geschichte zu einer anderen Arbeit:
Emil Nolde: „Bewegte See II (Zwei Segler aneinander)“, 1914, Öl auf Leinwand. 73 × 88,5cm
Das Gemälde ist 1914 kurz nach Emil Noldes Rückkehr aus der Südsee entstanden. Zu sehen sind ein oder zwei Segelboote auf stürmischer See. Die hochspritzende Gischt verdeutlicht die hohe Geschwindigkeit aber auch die Gefahr, mit der sie sich durchs Wasser bewegen. Das Bild gehört zwar nicht zu den verschollenen Südsee-Bildern, die 1921 in Plymouth gefunden wurden, aber die Geschichte war dennoch spannend:
„Während Noldes Aufenthalt in der Südsee vom Dezember 1913 bis Mai 1914 entstanden unter oftmals abenteuerlichen Umständen insgesamt 19 Ölbilder sowie zahlreiche Aquarelle und farbige Zeichnungen auf Papier, die den Lebensalltag und die Naturschönheit im damaligen Neu-Mecklenburg (heute New Ireland) eindrücklich festhielten. Diese Werke markieren einen Wendepunkt in Noldes Schaffen, denn sie bestärkten ihn auf seinem eingeschlagenen künstlerischen Weg und steigerten sein Selbstbewusstsein als freier, innovativer Vertreter einer modernen Malerei. Umso mehr traf es Nolde, als ausgerechnet die großformatigen Gemälde von der Südseereise beim Rücktransport verloren gingen, bedingt durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges Anfang August 1914. […]
Erst im Jahr 1921 erfährt Nolde von einem russischen Maler, diese Bilder seien wieder aufgetaucht: „Das bewegte uns sehr. Ich sehnte mich seit langem nach diesen, unter schwierigsten Umständen entstandenen Bildern“ […} Die fieberhafte Suche nach den verschollenen Werken führt Emil und Ada Nolde im Januar 1921 von Berlin über Heidelberg und Paris bis nach London. Ein letzter Hinweis weist schließlich nach Plymouth, wo ein Warenhausbesitzer namens Popplestone ihnen die Bilder – in Rollen gelagert – zugänglich macht. Er hatte sie als „gute Prise“ mit vielen anderen Dingen gemeinsam erworben. Lebhaft schildert Nolde die folgenden Geschehnisse: „Der Maler hielt vor Erregung seinen Hut vor das Gesicht. Wir vermochten gar nichts zu sagen. Er ging mit uns zu einer entlegenen verfallenen Villa und wirklich, unter einer Treppe hineingeschoben, lagen die beiden Rollen – meine Bilder. Wir schauten hin, aber konnten gar nicht haben, dass sie vor einem unverstehenden Menschen aufgerollt würden, er sollte unsere Erregung nicht sehen. Nach schwierigem Hin- und Herverhandeln wurden sie uns übergeben“. Doch das Ausrollen der Bilder erfolgte erst Wochen später im Haus von Noldes Schwester Catharine Bönnichsen in Südjütland. Nolde behielt diesen Moment in lebhafter Erinnerung: „Diese eigentümlichen Tropenbilder in einer schleswigschen Bauernstube! Wie war es seltsam. Und wie glühten die Farben. – Es war mir während der sieben Jahre, in denen sie verloren waren, nicht ganz bewusst geblieben, ob wirklich sie ganz gut seien oder nicht. Vielleicht deshalb war ich jetzt so freudig überrascht. Einige schienen mir besonders schön.“
(Auszug aus dem Katalog: Grisebach 265 — Herbst 2016. Ausgewählte Werke. 22 Nolde)
Wiederbegegnung mit alten Bekannten – Stefanie Busold vor Max Beckmann „Stilleben mit brennender Kerze“, 1921 – dieses Bild haben wir doch schon einmal gesehen! Ja, Frau Busold stand schon einmal vor uns vor diesem Bild. Einige erinnerten sich: In der Ausstellung: Max Beckmann. Die Stillleben in der Hamburger Kunsthalle, 2014.
Vor dem Bild machte sie am Mittwoch mit uns ein bewertes bildanalytisches Verfahren, den „Fünf Sinne Check“: Was rieche ich?, was sehe ich?, was höre ich?, was fühle ich?, was schmecke ich?: Eine Hyazinthe, ein Maiglöckchen, ein roter Kerzenleuchter, Lauch, Walnüsse und Zigarren.
Die Kunst des Bietens
Nach unserem kleinen Rundgang durch die Ausstellung erhielten wir einen kleinen Vortrag zur „Kunst des Bietens“ und den besonderen Bedingungen des Auktionshauses Villa Grisebach. Es wurde deutlich, dass sich der besonderen Atmosphäre einer Auktion wohl kaum jemand entziehen kann. – erst der Schlag des Auktionshammers bringt die Erlösung. Der Vortrag war so anregend, dass von groß und klein viele Fragen gestellt wurden und der eine oder die andere überlegt, ob sie oder er nicht nach Berlin zur Auktion der Villa Grisebach reisen sollte:
Villa Grisebach Berlin – Jubiläumsauktionen 2016. 30. November bis 3. Dezember 2016.
Alle Kunstwerke, die versteigert werden, werden in den letzten Tagen vor der Auktion ab dem 26. Oktober 2016 bei Grisebach in Berlin gezeigt.
Surreal grüßte eine Arbeit von Rene Magritte zum Abschied.
Wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Geschenk von Frau Busold: auf den Besuch und die Wiederbegegnung in der Hamburger Kunsthalle: „Dalí, Ernst, Miró, Magritte …Surreale Begegnungen aus den Sammlungen Roland Penrose, Edward James, Gabrielle Keiller, Ulla und Heiner Pietzsch“
http://www.hamburger-kunsthalle.de/ausstellungen/dali-ernst-miro-magritte
Wer Lust hat, in den Katalogen der Villa Grisebach zu stöbern, ist dazu auch digital eingeladen:
https://www.grisebach.com/auktionen/kataloge/
Vielen Dank, liebe Stefanie Busold für den bereichernden Abend!
(Janina Arlt, für die Kultur am Gymnasium Eppendorf)